Aus der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 06.07.2004
Die Gemeinderatssitzung am 06.07.2004 stand ganz im Zeichen der künftigen Verkehrsentwicklung in Oftersheim. Nachdem die Verkehrsexperten des Büros Bender + Stahl aus Ludwigsburg bereits am vergangenen Freitag ihre Ergebnisse dem Schwetzinger Stadtrat präsentiert hatten, stand nun auch in Oftersheim das Thema „Zukünftige Verkehrsplanung“ ganz oben auf der Tagesordnung.
Um nicht Planungen – mit diesen Worten eröffnete Bürgermeister Helmut Baust diesen für die künftige Gemeindeentwicklung so bedeutsamen Tagesordnungspunkt – im luftleeren Raum durchzuführen, müsse man von verlässlichen Grundannahmen ausgehen können. Fakten zu schaffen ohne diesen zuvor Fakten zugrunde gelegt zu haben, das gehe natürlich nicht. Diese Fakten lieferten im Anschluss daran Wolfgang Schröder, der Geschäftsführer des beauftragten Büros Bender + Stahl, und dessen Begleiter Joachim Keller.
Der ruhende Verkehr, also die Parksituation in Oftersheim, war der erste Punkt, dem sich Schröder widmete. Demzufolge lässt sich die Zahl an Parkplätzen in der Gemeinde auf 1.154 beziffern, die zum Großteil unbeschränkt (ohne zeitliche Einschränkung) nutzbar sind. Für alle Innerortsbewohner nicht neu war die Erkenntnis, dass die höchste Nachfrage an den Abenden besteht, verursacht durch die Anwohner. Lediglich die Straßen Heidelberger Straße/Sofienstraße, Mannheimer Straße/Friedrichstraße und die Karlstraße sind sehr stark frequentiert, wobei aber auch hier tagsüber Kapazitäten frei sind. Die Situation während des Tages – so Schröder – habe sich zudem durch die neuen Parkzeitenregelungen in der Mannheimer Straße und in der Karlstraße entspannt, so dass insgesamt resümiert werden könne, dass in Oftersheim ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden sind.
Einen verstärkten kritischen Blick sollte die Gemeinde aber auf die „Falschparker“ werfen, riet er zum Abschluss dieses Punktes. Die Untersuchung habe ergeben, dass in Oftersheim das Falsch- und insbesondere das Gehwegparken, das nach der Straßenverkehrsordnung ebenfalls als illegales Parken einzustufen sei, überproportional ausgeprägt und in einigen Bereichen sogar fast zur Gewohnheit geworden sei. Als äußerst auffällige Bereiche seien die Heidelberger Straße und die Sofienstraße zu nennen.
Beim Themenpunkt „Unfallschwerpunkte“ konnte Schröder ein positives Fazit für Oftersheim ziehen. Als besonderer Unfallschwerpunkt könne der Bereich Heidelberger Straße/Bruchhäuser Straße angesehen werden mit ca. 8 Unfällen pro Jahr. Die Untersuchung habe gezeigt, dass es ansonsten keine auffälligen Unfallgefahrenbereiche auf Oftersheimer Gemarkung gebe, was er als sehr positiv einstuft.
Zur Überprüfung der Situation des Öffentlichen Personennahverkehrs wurden Liniennetz, Angebotsstruktur und die Zahl der Nutzer unter die Lupe genommen. Bei den Ziel- und Quellströmen bezogen auf den Busverkehr zeigt sich, dass lediglich die Linie 717 in Richtung Heidelberg-Kirchheim gut frequentiert ist und von den Oftersheimer Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird. Sowohl die Linie 717 in Richtung Hockenheim/Speyer als auch die Linie 710 sind dagegen schwach frequentiert. Die Untersuchung zeige auch – so Schröder – dass große Teile Oftersheims von der Linienführung nur unzureichend oder gar nicht erschlossen seien und dass hier Optimierungsbedarf bestehe.
Beim Bahnreiseverkehr ist ebenfalls ein großer Spielraum nach oben hin zu erkennen. 5000 Reisende pro Tag, das klingt viel, doch vergleicht man sie mit der Zahl der Verkehrsteilnehmer, die sich pro Tag via Kfz durch Oftersheim bewegt, lässt sich erkennen, wie gering diese Zahl tatsächlich ist.
In seinen weiteren Ausführungen beschäftigte sich Wolfgang Schröder mit den Schallemissionen (Lärmabstrahlungen), die von den in Oftersheim liegenden Straßen und Schienenstrecken ausgehen und stellte die Ergebnisse einer Verträglichkeitsanalyse vor, in der der Straßenverkehr im Zusammenhang mit der Umgebungsbebauung untersucht wurde. Das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung stelle sich zwar insgesamt relativ positiv dar, so Schröder zum Abschluss seiner Ist-Analyse, da keine Oftersheimer Straße in Punkto Lärm als „völlig unverträglich“ zu klassifizieren sei, jedoch gebe es Bereiche, die bereits in einem kritischen Bereich lägen, wie die Heidelberger Straße, die als „unverträglich“ einzustufen oder den Bereich Mannheimer Straße/Eichendorffstraße, der in den Bereich "gerade noch verträglich“ einzuordnen sei. Der Gemarkungsbereich entlang der Bahnstrecke offenbart das höchste Emissionspotential.
Nach der Darlegung der Ergebnisse der Ist-Analyse richtete Wolfgang Schröder sein Augenmerk auf die zukünftige Verkehrsentwicklung in Oftersheim. Die Region müsse bis zum Jahr 2020 einem immensen Anstieg des Straßenverkehrs rechnen. Selbst die neue Bahnstadt in Heidelberg mit etwa 20.000 Einwohnern werde sich bis in diesen Raum auswirken. Für Oftersheim sei insgesamt eine Steigerung des Verkehrsaufkommens um 29 % zu erwarten. Sowohl die durch die Realisierung des neuen „Wohn- und Gewerbegebiets Nord-West“ auf etwa 12.000 ansteigende Einwohnerzahl als die schon jetzt prognostizierbare Zunahme der Motorisierung sei mit in die Berechnung eingeflossen. Sollte sich bis 2020 das Straßennetz nicht verändern, müsste man im Bereich der Eichendorffstraße mit einem Anstieg des Verkehrsaufkommens um 13 %, in der Heidelberger Straße (Ortsmitte) um 26 % und im Hardtwaldring sogar um rund 30 % rechnen. Die Hauptursachen für den enormen Verkehrszuwachs seien – so Schröder – die vielen zusätzlichen Verkehrsteilnehmer aus dem neuen Wohn- und Gewerbegebiet Nord-West und Verkehrsverlagerungen von Schwetzingen nach Oftersheim aufgrund der dort dann noch angespannteren Verkehrsituation.
Schröder macht deutlich, wie wichtig es für Oftersheim wäre, die angedachte Stadtumfahrung Schwetzingen (L 535) und insbesondere die L 722 von Oftersheim in Richtung Heidelberg zu realisieren. Es müsse klar sein, dass lediglich der Bau der neuen L 722 ausreichend Entlastung bringen könne und die Gemeinde in die Lage versetze, eine wunschgemäße Verkehrspolitik verfolgen zu können. Andernfalls sei die Gemeinde künftig aufgrund der gewaltigen Verkehrszuwächse vor große Probleme gestellt. Schröder stellte vier Planungsmodelle der L 722 vor, von denen jede zur Verbesserung der innerörtlichen Verkehrssituation beitragen würde und stellte klar, dass die ortsnahe Variante der L 722 die größte verkehrliche Entlastung bewirke. Von Seiten des Rates wurde diese Einschätzung nicht geteilt und erneut die Sorge geäußert, die Oftersheimer Landschaftsschutzgebiete könnten der L 722 aufgrund der vom Büro Bender + Stahl dargelegten Fakten zum Opfer fallen. Bürgermeister Helmut Baust musste daraufhin die Gemüter etwas beruhigen. Er wies darauf hin, dass in der heutigen Sitzung nicht die Entscheidung über die Zustimmung zum Bau der L 722 auf der Tagesordnung stehe, versicherte aber gleichzeitig, dass es ohne die Zustimmung der Gemeinde Oftersheim nicht zu einem Bau der L 722 durch das Oftersheimer Dünengebiet kommen werde.
Um die gewünschten Auswirkungen auch wirklich zu erzielen, so Schröder weiter, müssten mit der Neuordnung der Straßenklassifizierung auch bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Er schlug vor, bis auf die Heidelberger Straße, denn auf der Landesstraße müsse weiterhin ein Tempo 50-Limit gelten, das gesamte Gemeindegebiet mindestens zu einem 30 km/h-Bereich umzuwidmen. Ferner regte er an, den Ortskern (Teile der Mannheimer Straße, der Mozart- und der Eichendorffstraße, Kirchgartenweg, Karlstraße, Am alten Meßplatz) als Tempo 20-Zone auszuweisen. Auch eine Ausweisung von Fahrradstraßen, auf denen zwar Kraftfahrzeuge ebenfalls fahren dürfen, aber Radfahrer bevorzugt behandelt werden, könne er sich für Oftersheim gut vorstellen. Als mögliche Bereiche nannte er folgende Straßen: Mannheimer Straße, Moltkestraße, Wiesenstraße und Karlstraße. Im Bereich der baulichen Veränderungen empfahl er den Umbau des Knotenpunkts Max-Planck-Straße/Hardtwaldring/Walldorfer Straße zu einem Kreisverkehr und Maßnahmen der Verkehrsberuhigung im Bereich des Hardtwaldrings.
In seinen weiteren Ausführungen machte der Verkehrsentwicklungsexperte deutlich, dass der Verkehr nicht nur durch Verlagerung verträglicher zu machen sei, sondern auch durch Vermeidung und Verminderung. Ein Großteil der privaten und geschäftlichen Wege in Oftersheim – so Schröder – könnte zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Um das Angebot für den nicht motorisierten Verkehr noch attraktiver zu machen, müssten das Radwegenetz ausgebaut und die Konfliktbereiche mit motorisierten Verkehrsteilnehmern reduziert werden. Insbesondere sprach er den Kreuzungsbereich Heidelberger Straße/Wiesenstraße/Karlstraße an, der künftig mit einer Fußgängerfurt samt Ampelanlage versehen werden sollte.
Abschließend regten die Vertreter des Büros Bender + Stahl eine Optimierung des ÖPNV-Angebots an. Denkbar – so Joachim Keller – sei ein gemeinsamer Stadtbus mit Schwetzingen und Plankstadt. Der „Schwopper“ könne mit 6 Bussen im 30-Minuten-Takt und einem Rendevoussystem am Bahnhof Schwetzingen ein attraktives Nahverkehrsangebot darstellen – ebenso wie ein Stadtbus, der lediglich Oftersheim bediene und ebenfalls im 30 Minuten-Takt fahre. Ersten Kostenschätzungen zufolge würden auf die Gemeinde Oftersheim beim Einstieg in das „Schwopper“-Konzept rund 100.000 Euro zukommen und bei einer Realisierung der „Oftersheimer Stadtbus“-Variante ca. 120.000 Euro zukommen. Ansonsten hielten sich die beiden Fachleute mit der Nennung von Zahlen und Kosten zurück.
Die Analysen, Verkehrsaufkommensprognosen und konzeptionellen Ansätze seien Teil eines Leitplans, der zwar grobe Zielrichtungen vorgebe, aber keinesfalls als endgültige Festlegung sondern als Grundlage für die nun anstehenden Diskussionen zu verstehen sei. Dass zur Realisierung aller Ideen auf Oftersheim hohe Kosten zukommen würden, das sei nicht von der Hand zu weisen. Dennoch müsse man offen mit dem Verkehrsentwicklungsplan umgehen und ihn als dynamischen Prozess verstehen. Abschließend räumte Wolfgang Schröder ein: „Mir ist bewusst, dass wir erst am Beginn der Arbeit stehen!“.
Zum Abschluss des 2 ½-stündigen Mammutvortrags dankte Bürgermeister Helmut Baust den Herren Schröder und Keller für ihre interessanten und zukunftsweisenden Ausführungen. Die eigens zur Erstellung des künftigen Verkehrsentwicklungsplans ins Leben gerufene projektbegleitende Arbeitsgruppe werde sich im Herbst mit diesem ersten Zwischenbericht beschäftigen und aufgrund dieser Ergebnisse einen Verkehrsentwicklungsplan erarbeiten, so dass der Gemeinderat diesen als Leitlinie beschließen könne. Im Hinblick auf die Bedeutung der jetzigen Verkehrsentwicklungsplanungen für die Zukunft Oftersheims – so BM Baust abschließend – müsse man sich für den Entscheidungsfindungsprozess Zeit nehmen und dürfe nichts übers Knie brechen. Schließlich plane man für die nachfolgenden Generationen und hierbei müsse jeder Schritt wohlüberlegt sein.