Den heiligen Geist per Megafon angerufen
Die Sonne lachte über der Kilianskirche und das Mikrofon fiel aus. Während die weltlichen Dinge den heiligen Platz machten, war der Spiritus Sanktus kurz entfleucht. Da man aber am Tag der Glockenweihe auf alle nur erdenklichen Eventualitäten gefasst war, kam ein Megaphon zum Einsatz. „Komm Schöpfer, heiliger Geist, zieh bei uns ein.“ Noch während Pfarrer Wolfgang Gaber diese Worte sprach, stellte sich plötzlich das Mikrofon wieder ein und transportierte die Worte des Geistlichen bis über das Mäuerchen des Kirchgartens, das die vielen Christen, die der Glockenweihe bewohnten, kaum zu fassen vermochte. „Da sehn’ Se wie der heilige Geist wirkt“, lachte Gaber nun über das Wunder der Technik.
Feierliche Prozession
Die drei Hauptdarsteller der festlichen Glockenweihe – die Christus-, die Maria- und die Kolonat-und-Totnan-Glocke – waren schon in den Morgenstunden hübsch mit gelben und weißen Blumen sowie Buchs dekoriert auf einem Tieflader in einer Prozession vom Bahnhof über die Mannheimer Straße bis zur Kilianskirche gezogen worden. Als sie das Eck der Mozartstraße erreicht hatten, stimmte der Posaunenchor mit Chorälen ein. Die Teilnehmer der Prozession, allen voran die Messdiener und -dienerinnen, dann die Vertreter der Ökumene, Dekan Wolfgang Gaber von der katholischen und Pfarrer Martin Joos von der evangelischen Kirche, gefolgt von 70 Europa-Pfadfindern aus Schwetzingen und Oftersheim mit den Fahnen verschiedener Pfadfinderstämme schwenkten in Richtung evangelische Kirche ab und wurden von deren feierlichen Glockengeläut empfangen. Derweil machten sich die Mitarbeiter der Firma Janko ans Werk, die drei Bronzeglocken mit einem Faltkran auf ein Holz-Gerüst zu hieven – denn die drei Schönen sind mitnichten Leichtgewichte.
Schon die kleinste von den Dreien, die Kolonat-Glocke, wiegt 380 Kilo. Die Marien-Glocke bringt es auf 940 und die Christus-Glocke auf stattliche 3300 Kilo. Während man sich also vor der Kilianskirche ans Werk machte, beging man in der evangelischen Kirche unter viel Weihrauchentwicklung den Festgottesdienst zur Glockenweihe, der vom Kirchen- und Posaunenchor mitgestaltet wurde.
Zeichen gelebter Ökumene
„In Oftersheim, da lebt die Ökumene“, begann Gaber und dankte der evangelischen Kirchengemeinde für das Gastrecht, da die Kilianskirche derzeit ja renoviert wird. Im Laufe des Gottesdienstes folgte ein kleiner historischer Abriss: die erste Glockengeneration stammt aus dem Jahre 1908 und wurde für 4.469 Mark angeschafft. Die zweite folgte 1921 von einer Bochumer Glockengießerfirma und kostete 39.915 Mark.
Da die Glocken korrodierten, entschloss man sich in der dritten Generation für bronzene. Von ihnen musste nur die Marienglocke ersetzt werden. „Glocken strukturieren den Tag“, stellte Gaber fest. Sie kommen bei Freude und Trauer zum Einsatz, bei Sturm, Pest und als Feuerglocke wurden sie genutzt. Jede der insgesamt sechs Glocken hat ihren eigenen Namen und Klang.
Erst als die kleinste der drei neuen Bronzeglocken, die am 12. September allesamt in Karlsruhe – bei der Glockengießerei Bachert – das Licht der Welt erblickt hatten, an dem Holzgerüst baumelte, pilgerten die Christen in einer weiteren Prozession mit Schellengeläut von der evangelischen Christuskirche zur Kilianskirche, wo sie am Messplatz von Märschen und Chorälen empfangen wurden. „Alles, was Odem hat, lobet den Herrn“, sprach Pfarrer Martin Joos den Segen. Dann wurden die drei Glocken wie Neugeborene bei der Taufe mit Weihwasser besprengt und anschließend mit Chrisamöl gesalbt. Jetzt war endlich der feierliche Augenblick des Anschlagens gekommen, auf den sich Gaber so sehnsüchtig gefreut hatte!
Den Glocken erste Klänge entlockt
Er nahm den großen Klöppel in die Hand und brachte das zweigestrichene Cis der Kolonat-Glocke zum Klingen, dann das eingestrichene Fis der Marienglocke und schließlich das tiefe H der 1,70 Meter umfassenden Christusglocke. Die Begeisterung stand in den Gesichtern der Menschen geschrieben und die Sonne strahlte zur Mittagszeit immer noch.
Dann begab man sich ins Innere der Kirche, wo heiße Speisen, Kartoffelsuppe und Würstchen bereit standen, Kaffee und Kuchen und verschiedene Sorten von Marmeladen. Buttons mit der Aufschrift „Kirchenrenovierung 2008-2009 St. Kilian“ waren zu erstehen und Taschen mit der gleichen Aufschrift – und sogar kleine Glocken im Wert von 18 Euro. Draußen, vor dem Gotteshaus, hatte Dekan Wolfgang Gaber noch die angenehme Aufgabe, die von der Bäckerei Kießling gebackene Glockentorte anzuschneiden.“
Von Sibylle M. Derr, in der Ausgabe der Schwetzinger Zeitung vom 21.10.2008 erschienen