Die ersten Gehversuche auf dem Weg der Reform
Beginn des Ganztagsbetriebs an der Theodor-Heuss-Schule
Es hatte den Stellenwert eines leicht vorgezogenen Geschenks zur Weihnachtszeit: Die Mitteilung im Mai aus dem Oberschulamt für die Genehmigung einer Ganztagsschule mit Beginn des neuen Schuljahres. Als dringend geforderte Reform des deutschen Schulsystems für Familien- und Wirtschaftspolitik sollten Halbtagesschulen in Ganztagesschulen und Schulen mit Ganztagesangeboten umgewandelt werden.
Der lange Weg in kleinen Schritten hatte sich für Hans Klemm und sein Kollegium endlich geöffnet, seit dem 4. Oktober können 22 Kinder aus den Klassen 5 und 6 hier in der Theodor-Heuss-Schule den Abbau von Benachteiligungen und die Förderung von Begabungen erfahren, Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung eingeschlossen. Das war für Kollegium, Gemeindevertreter und Gäste ein willkommener Zeitpunkt, sich über den Stand der Dinge zu informieren, an einem gemeinsamen Essen mit den Schülern teilzunehmen und ein Gläschen auf „gesundes Wachstum des Objektes“ zur Brust zu nehmen. Als „ohne besonderen Förderbedarf“ bezeichnet, daher als Ganztagsschule im ersten Lauf abgelehnt, sollte gerade die Theodor-Heuss-Schule auf dem Reformweg hängen bleiben – ein übles Stück hoher Politik.
Brigitte Frei als Schulamtsdirektorin mit direkten Sensoren für Belange hier am Ort hatte sogar ihren Urlaub unterbrochen, um an der kleinen, aber feinen Feier zur Reform teilzunehmen. Der stellvertretender Bürgermeister Oskar Jahn hatte seine Kollegen aus dem Gemeinderat mitgebracht und das Kollegium der „Reformschule“ war natürlich auch zur Stelle. „Schulen sollen sich laut Politik und Öffentlichkeit verändern, öffnen; aus Lernorten sollen Lebensräume entstehen, die den Schülern/Schülerinnen bessere Bildungsmöglichkeiten, Abbau von Benachteiligungen und damit eine Gesamtverbesserung der Qualität in Sachen Bildung ermöglichen!“
Rektor Hans Klemm stellt die dicken Steine auf dem langen Weg zur „offenen Form“ deutlich heraus, dankte der Gemeinde für finanzielle und personelle Anstrengungen in schwierigen Zeiten und gab den Stand der Dinge bekannt: „Die offene Form ist als Übergangslösung für die nächsten zwei bis drei Jahre konzipiert, daher reicht die provisorische Mensa mit Küche solange aus. Die Frauen zum Service beim Essen sind aus dem Reinigungsbereich herausgelöst, der Putzdienst wird von den Klassen selbst übernommen. Später sollen Jugendbegleiter, Eltern und Mitglieder aus den örtlichen Vereinen durch ehrenamtliche Mitarbeit das Angebot nachmittags noch attraktiver gestalten!“
Oskar Jahn ließ keinen Zweifel an den Sorgen der Gemeinde, für ihre Schulkinder das Beste zu ermöglichen, auch wenn dann die eisernen Reserven irgendwann herhalten müssten. „Wenn nichts Wunderbares geschieht, steht die nächste Gemeinderatssitzung für den Haushalt 2007 in sehr ungünstigem Licht, alle fordern, keiner macht sich Gedanken, wo das alles herkommen soll, wie sollen wir die Löcher stopfen?“ Mit deutlichen Fingerzeigen auf die Theoretiker „da oben“ gab Jahn einige Klarheiten für finanzielle Unbekümmertheit im Diätenbereich mit in die kleine Feierstunde.
Jetzt wurde es richtig Mittag, die 22 Kids saßen schon an ihren Tischen, sauber eingedeckt von den Damen, warteten auf ihr Menü: Reissuppe, Gemüse- Maultaschen mit Tomatensoße und Apfelsaftschorle als Begleiter. Die „Reformtester“ für die Ganztagsschule auf dem Weg ließen sich nicht lange bitten und setzten sich mit in die muntere Tafelrunde – es schmeckte wirklich vorzüglich.
Carlo Weippert, SZ